Manchmal werde ich gefragt, warum ich meine Bilder bearbeite, ob ich denn nicht in der Lage wäre, dass meine Fotos schon “out-of-cam” toll aussähen.
- Doch, bin ich!
Einige Leute haben ein Problem damit, dass das fertige Bild eine optimierte Version der objektiven Realität zu zeigen scheint.
- Ich nicht …
Meiner Meinung nach gibt es bei dieser Frage zwei wesentliche Bereiche, die technische Seite und der künstlerische Aspekt:
Da ich in Raw fotografiere, ist eine Bearbeitung ohnehin zwingend notwendig, im Prinzip entwickele ich dabei ein (digitales) Negativ.
Ähnliches geschieht, wenn man in Jpeg fotografiert, nur dass die Kamera die Entwicklung dabei automatisch vornimmt und selbst entscheidet, wie das finale Foto aussieht.
Wie sind die Kontraste im Bild verteilt, wie gesättigt sind die einzelnen Farbbereiche, wie stark wird das Bild geschärft?
Dies alles sind Entscheidungen, die ich so selbst bestimmen kann und nicht der Kamera überlassen möchte. Schon Ansel Adams, ein berühmter Fotograf aus der prädigitalen Ära, fand eine zutreffende Analogie zur Musik: “The negative is the score, and the print the performance.“
Bezüglich des künstlerischen Aspektes ist für mich eine Frage ausschlaggebend:
Warum fotografiere ich überhaupt?
Ich möchte in den seltensten Fällen die erlebte Realität dokumentarisch festhalten, vielmehr ist es mein Anliegen, schöne Bilder zu erschaffen.
Könnte ich gut malen, hätte ich vielleicht nie zur Fotografie gefunden.
Dieser Vergleich ist in vielerlei Hinsicht für mich zutreffend: In der Malerei bezöge ich störende Elemente der Vorlage (z.B. ein Werbeplakat an einem schönen Gemäuer) nicht mit in das Gemälde ein, bei der Fotografie entferne ich es in der Nachbearbeitung.
Einen wunderschönen Sonnenuntergang brächte ich eventuell mit noch intensiveren Farben als in der Realität auf die Leinwand, in Photoshop erhöhe ich die Sättigung einzelner Farben.
Im Endeffekt muss jeder Fotograf natürlich für sich selbst entscheiden, welches Maß an Nachbearbeitung er seinen Bildern angedeihen lassen möchte.
Aber warum sollte ich mich mit dem oberen, unbearbeitetem Bild zufrieden geben, wenn das fertige Bild auch wie unten aussehen könnte?