Seit einiger Zeit setze ich bei meinen Fotografien öfter die Timeblend-Technik ein, zu der ich vermehrt Anfragen bekomme. In meinem heutigen Post mache ich Dich mit den Grundzügen dieser Technik vertraut, erläutere die Vorteile dieses Verfahrens, zeige Dir, was Du bei der Aufnahme vor Ort beachten musst und wie die Nachbearbeitung gelingt.
Die Theorie:
Was ist Timeblending?
Beim Timeblending kombiniert man zwei oder mehr Aufnahmen, die im Extremfall mit einem Zeitunterschied von einigen Stunden aufgenommen wurden.
Warum Timeblending?
Angenommen, Du hast für Dein nächstes Bild die abendliche Ansicht einer hübschen Stadt geplant. Nachdem Du einen passenden Aufnahmestandpunkt gefunden hast, genießt Du den Übergang vom Tag zur Nacht und beobachtest, wie sich nach dem tollen Licht der goldenen Stunde die Wolken beim Sonnenuntergang dramatisch färben. Später tönt sich der Himmel tiefblau und kontrastiert farblich hervorragend mit den warmen Orangetönen der einsetzenden künstlichen Beleuchtung. Nachdem Du Deine Kamera wieder eingepackt hast, wirfst Du nochmal einen Blick auf die inzwischen voll illuminierte Stadt, deren Anblick nun an ein funkelndes Lichtermeer erinnert.
Welche der entstandenen Aufnahmen wäre nun repräsentativ, um die Stimmung des Abends in einem einzigen Bild wiederzugeben? Auf dem Sonnenuntergangsfoto mit dem farbenfrohen Himmel fehlen Dir die funkelnden Lichter der Stadt, bei der Nachtaufnahme wirkt der Himmel schwarz und leblos, und der enorm hohe Kontrastumfang zwischen der extrem hellen Beleuchtung und den tiefschwarzen Schatten bereitet Dir darüberhinaus Schwierigkeiten, die Detailzeichnung in allen Tonwertbereichen zu erhalten.
Die Timeblend-Methode ermöglicht Dir in diesen und ähnlichen Situationen nicht nur die genannten technischen Schwierigkeiten zu umgehen, sondern auch ein optisch ansprechendes und einzigartiges Resultat zu erzielen.
Du wirst sehen, dass Du Dich mit dem sehr wichtigen Thema der Bildgestaltung viel intensiver und aufmerksamer auseinandersetzen wirst, weil Du Dich auf EINE Komposition festlegen musst. Wenn das Licht dann richtig gut wird, kann man die vor sich liegende Szenerie mit allen Sinnen genießen: Außer dem gelegentlichen Druck auf den Fernauslöser und der Anpassung der Belichtungszeit ist ja nichts mehr zu tun …
Die Praxis | Erstellung der Aufnahmen
Da die Kameraposition während des Aufnahmeprozesses nicht verändert werden darf, musst Du zwei Dingen besondere Aufmerksamkeit schenken: Einerseits ist das die Notwendigkeit eines möglichst stabilen Stativs, andererseits die Unveränderbarkeit einer einmal gewählten Perspektive. Aus diesem Grund bemühe ich mich immer möglichst frühzeitig vor Ort zu sein, um weit vor der “heißen Phase” in Ruhe verschiedene Kompositionen ausprobieren zu können.
Sobald Du die optimale Position gefunden hast, solltest Du die entsprechenden Schrauben Deines Statives kräftig anziehen, so dass Deine Kamera bombenfest fixiert ist. Um auch kleinste Erschütterungen zu vermeiden, nutze ich einen - mit 10 Euro sehr preiswerten - kabelgebundenen Fernauslöser. Achte auch gut darauf, dass Du oder jemand anderes nicht aus Versehen an Dein Stativ stößt!
Ich fotografiere im RAW-Format, fokussiere auf das Hauptmotiv, wähle den manuellen Modus mit Blende 8 und ISO 100. Eine eventuell vorhandene Bildstabilisierung Deines Objektivs solltest Du bei Stativaufnahmen ja ohnehin deaktivieren. Entsprechend der gegebenen Lichtsituation muss ich somit während des Aufnahmeprozesses nur noch die Belichtungszeit anpassen, alle anderen Parameter (Blende, Fokus, ISO) bleiben konstant. Aufgrund des oft hohen Kontrastumfangs nehme ich meist Belichtungsreihen mit einer Blendstufe Differenz auf. Erfahrungsgemäß sind bei Szenen mit der Sonne im Bild oft 9er Reihen erforderlich, die ich im Laufe eines Abends schrittweise auf 5er Reihen herabsetzen kann. In 90% aller Fälle lande ich zum Ende der blauen Stunde bei Szenen mit künstlicher Beleuchtung (Laternen, Fensterlichter, angestrahlte Gebäude) bei einer Basisbelichtung von 8 Sekunden mit sich (bei einer 5er-Reihe) ergebenden zusätzlichen Belichtungen von 2 (--), 4 (-), 16 (+) und 30 (++) Sekunden. Zum Abschluss erstelle ich meist noch zwei weitere Belichtungsreihen mit f/16 und f/22, so habe ich einerseits hübsche Blendsternchen für die Nachbearbeitung aufgenommen und mir andererseits noch etwas Spielraum für eventuell ausgefressene Highlights verschafft.
Die Praxis | Nachbearbeitung
Aus Gründen der Einfachheit verzichte ich hier auf eine detaillierte Beschreibung meines sonstigen Workflows und konzentriere mich stattdessen auf das Verfahren, mit dem man zwei zeitlich versetzt angefertigte Aufnahmen zu einem Bild zusammenfügt. Als Anschauungsbeispiel dient hier mein Bild “Well, it´s Muenster!” welches den Prinzipalmarkt in Münster zeigt.
Die Basisebene:
Die Auswahl der Basisebene:
Zunächst suche ich mir unter den zahlreich entstandenen Belichtungen ein Bild heraus, das mir aus rein ästhetischen Gesichtspunkten (Farbigkeit des Himmels, interessante Wolkenformation, möglichst keine Störungen durch Passanten/Radfahrer etc.) am besten gefällt. Für Deine ersten Versuche mit dieser Technik würde ich Dir dabei zu einer Aufnahme raten, bei der die Sonne NICHT im Bild zu sehen ist, da Du so viel einfacher zu einem glaubhaften Ergebnis kommen wirst.
Meine Wahl fiel auf das links zu sehende Bild, welches kurz nach dem Sonnenuntergang entstand. Ich habe recht weiches Licht ohne harte Schatten, der Himmel ist schön gefärbt, eine perfekte Ausgangsposition …
Die RAW-Entwicklung der Basisebene:
Bis auf 2 Ausnahmen entwickele ich die Basisebene in Lightroom ähnlich, wie ich es bei einer normalen Aufnahme handhaben würde.
Insgesamt halte ich den Bildlook aber etwas dunkler als üblich und verzichte auf die Vorschärfung, was das spätere nahtlose Zusammenfügen mit der Lichtebene vereinfacht.
Die Lichtebene:
Die Auswahl der Lichtebene:
Diese Aufnahme entstand ca. 30 Minuten später als die Basisebene, die Schaufenster kommen gut zur Geltung, die Lichter sind nicht ausgebrannt und durch das Restlicht des Himmels zur blauen Stunde habe ich auch in den Schattenbereichen noch genug Zeichnung. Das Aussehen des Himmels spielt keine Rolle, hier geht es uns nur um die erwachten Lichter der Stadt.
Die RAW-Entwicklung der Lichtebene:
Da der Hauptfokus hierbei auf den Lichtern liegt, entwickele ich das Bild dementsprechend: Die hellen Bereiche haben noch genug Zeichnung, nur die eigentlichen Lichtquellen dürfen dabei ruhig ausfressen. Die meist viel zu dunklen Schattenbereiche der unentwickelten RAW-Datei helle ich mithilfe des Tiefen- und Schwarzreglers soweit auf, dass sie nur noch unwesentlich dunkler sind, als die der Basisebene. Im Endeffekt wird die Lichtebene in Photoshop zwar mithilfe des Ebenenmodus “Aufhellen” integriert, so dass die dunkleren Bereiche der Lichtebene nicht sichtbar sind, für einen fließenden Übergang ist eine recht ähnliche (leicht dunklere) Tonalität der Tiefen aber förderlich.
Das Zusammenführen der Ebenen in Photoshop:
Wähle beide Belichtungen in Lightroom aus und exportiere sie per Rechtsklick » Bearbeiten in » In Photoshop als Ebenen öffnen … nach Photoshop. Wenn Du beim Fotografieren alles richtig gemacht hast, sollten beide Aufnahmen deckungsgleich übereinander liegen. Für den Fall, dass es doch nicht 100%ig passt, markiere beide Ebenen in Photoshop und wähle Bearbeiten » Ebenen automatisch ausrichten. Unten sollte die Basisebene liegen, darüber die Lichtebene.
Die abschließende Bearbeitung:
Nach dem Überblenden beider Aufnahmen retuschiere ich störende Elemente und vereinheitliche den Look auf einer zusammenfassenden Ebene mit dem “Camera RAW Filter”, indem ich Abstimmungen in Bezug auf Farbe, Kontrast und Tonalität vornehme.
Anschließend kommt oft noch die NIK-Collection zum Einsatz, primär verwende ich dabei “Contrast Color Range”, “Pro Contrast” und “Tonal Contrast”, eher selten den Filter “Sunlight”.
Mittels “Dfine” entrausche ich das Bild, bevor ich es per “Highpass” selektiv schärfe. Den Himmel und Wasserflächen exkludiere ich dabei.
Nach einem Reimport zu Lightroom lege ich mich auf einen finalen Crop fest bevor es an die Feinabstimmung geht, hier und da werden noch ein paar Farben angepasst, Kontraste abgestimmt und eine leichte Vignette hinzugefügt.
Je nach Zielmedium (Facebook/500px/Druck) exportiere ich das Bild mit entsprechend angepassten Schärfungsparametern und füge für eine Veröffentlichung im Internet mein Wasserzeichen an einer geeigneten Stelle ein.
Ich hoffe, dass ich Dir die Grundlagen des Timeblendings etwas näher bringen konnte, und Du Lust bekommen hast, diese Technik selbst einmal auszuprobieren. Wenn Du noch Fragen zu einzelnen Punkten haben solltest, kannst Du mich gerne kontaktieren, ich helfe Dir gern.
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