Während meiner Fototour in Griechenland kam ich durch Zufall auf die Idee, Timeblending mal ganz anders als üblich einzusetzen. Ist es möglich, zeitlich versetzte Mikroaktionen in einem Gesamtbild zu vereinigen? Könnte man so ein Wimmelbild à la “Wo ist Walter” erstellen? Man kann …
Die Idee
Normalerweise wird Timeblending zum Überblenden zweier zeitlich versetzter Aufnahmen eingesetzt. So kann man zum Beispiel den herrlichen Sonnenuntergangshimmel mit den nächtlichen Lichtern der Stadt kombinieren, oder bei einer Milchstraßenaufnahme den Vordergrund bereits zur blauen Stunde aufnehmen, so dass man auch in diesem Bereich noch Definition und Details für das fertige Bild hat. Falls du dich noch gar nicht mit diesem Thema befasst haben solltest, findest du hier eine kurze Einführung in diese Technik.
Die Idee, das Konzept Timeblending mal ganz anders zu interpretieren, kam mir während meiner Fototour in Griechenland. Ich hatte an diesem Tag den Sonnenaufgang verpasst, da ich aufgrund einer starken Erkältung etwas länger als üblich geschlafen hatte. Das beste Licht war also schon Geschichte, das Scouting für die Abendaufnahmen bereits erledigt und ich fragte mich, was ich mit der fotografisch eher unattraktiven Mittagszeit anfangen sollte. Ab und zu brach die Sonne durch den wechselnd bewölkten Himmel, so dass ich in der Hoffnung auf ein nettes Licht- und Schattenspiel am Kloster Varlaam Stellung bezog. Immer wenn ein Lichtstrahl durch die Wolkendecke brach und Teile der umgebenden Landschaft erhellte, machte ich eine Aufnahme.
Als irgendwann ein Mönch nach draußen trat und schwungvoll einen Eimer Wasser in die Schlucht entleerte, kam mir plötzlich die “Wimmelbild-Idee”. Wie wäre es, wenn ich mich statt auf die Landschaft auf die Aktivitäten im und um das Kloster konzentriere und jedesmal eine Aufnahme mache, wenn dort etwas Interessantes passiert? Könnte man all diese Mikroaktionen in einem Bild nahtlos zusammenfassen, wenn die Kameraposition gleich bleibt?
Die Aufnahmen
Leider kam es kaum zu fotografierenswerten Situationen, nach gut 2 Stunden hatte ich aber dennoch einige Kleinigkeiten im Kasten: Mit einem Flaschenzug wurden Güter nach oben in das Kloster geschafft, eine Art Seilbahn brachte Personen dorthin, und auf der Zugangsbrücke posierte ein Pärchen für ein Selfie. Nach gefühlten Ewigkeiten konnte ich auch 2 Mönche beim Entledigen des Abwaschwassers ablichten, diese Situation hatte ich beim ersten Mal verpasst. Eine 4-minütige Langzeitbelichtung für den Himmel vervollständigte dann meine Ausbeute, so dass ich genügend Material zum Testen meiner Idee zusammen hatte.
Die Nachbearbeitung | Zusammenfügen der Aufnahmen
Aus den zahlreichen Aufnahmen suchte ich mir zunächst diejenige heraus, auf der das Kloster am besten zur Geltung kam und entwickelte sie in Lightroom nach meinem Geschmack. Alle weiteren einfließenden Bilder richtete ich in Bezug auf Kontrast, Tonalität und Farbgebung auf diese Basisbelichtung aus. Als besonders hilfreich erwies sich dabei die “Referenzansicht” im Bearbeitungsmodul von Lightroom. In den linken Bereich kann man seine Referenzaufnahme ziehen, das darauf anzupassende Bild befindet sich rechts davon.
Nach der Anpassung aller Bilder auf die Basisbelichtung selektierte ich diese und brachte sie über “Rechtsklick —> Bearbeiten in —> In Photoshop als Ebenen öffnen …” als übereinanderliegende Ebenen nach Photoshop. Da ich zwischen den Aufnahmen die Kameraposition auf dem Stativ nicht verändert hatte, passten sie schon ab Werk pixelgenau übereinander. Manchmal passiert es aber, dass der Kugelkopf im Aufnahmezeitraum leicht abgesunken ist, oder du aus Versehen an das Stativ gekommen bist. Sollten deine Aufnahmen nicht deckungsgleich sein, kannst du sie von Photoshop automatisch ausrichten lassen: Selektiere dazu alle Ebenen und wähle “Bearbeiten —> Ebenen automatisch ausrichten …”.
Da in der Basisaufnahme nur das Kloster, nicht aber die Landschaft schön im Licht stand, habe ich eine Aufnahme, die Lichtakzente in diesem Bildbereich bot, als Ebene über die Basisaufnahme gezogen, mit einer schwarzen Maske versehen und an einigen Stellen im Mittel-und Hintergrund mit einem weichen, weißen Pinsel selektiv eingeblendet. Per Luminanzmaske fügte ich dann den langzeitbelichteten Himmel ein.
Die weiteren Elemente aus den anderen Aufnahmen fügte ich sukzessive nach dem immer gleichen Schema ein: Aktivierung der entsprechenden Ebene, Ausblenden per schwarzer Ebenenmaske und Wiedereinblenden des entscheidenden Bildbereichs mittels eines weißen, weichen Pinsels.
Die Nachbearbeitung | Das Übliche …
Anschließend ging es mit meinem üblichen Workflow weiter: Ich habe zunächst störende Bildelemente entfernt und dann mittels Dfine aus der NIK-Collection das Bild entrauscht. Der Look der einzelnen Bildelemente wurde durch den Einsatz des Camera Raw-Filters auf einer zusammengefügten Ebene weiter vereinheitlicht, bevor ich mit Color Efex Pro (ebenfalls aus der NIK-Collection) Farb- und Tonalitätskontraste nach meinem Geschmack gestaltete.
Danach lud ich die Auswahl des Himmels, erweiterte diese Selektion um 20 Pixel und gab ihr eine weiche Kante mit einem Radius von 10 Pixeln. Die Anwendung des Orton-Effekts mit 25% Deckkraft auf diesen Bereich führte dazu, dass der Himmel an den Kanten leicht auf das Kloster und die Landschaft überstrahlte und somit den Look wie aus einem Guss erscheinen ließ.
Mittels eines Hochpassfilters (Radius 2,2 Pixel) schärfte ich das Bild mit Ausnahme des Himmels, um nach einem Re-Import zu Lightroom dort noch abschließende Abstimmungen vorzunehmen.
Das Ergebnis | Fazit
Das Bild ist sicherlich kein Knaller geworden, und für ein Wimmelbild war einfach zu wenig an und im Kloster los. Es hat mir aber trotzdem gezeigt, dass das Konzept erstaunlich gut funktioniert und man Aktionen, die 2 und mehr Stunden auseinanderliegen, problemlos in einem Bild zusammenfassen kann. Auch die Integration einer Langzeitaufnahme in die ansonsten mit 1/250 Sekunden belichteten Bilder ist nahtlos möglich.
Ich werde dieses alternative Timeblending in der Zukunft sicherlich nochmal aufgreifen, überlege aber momentan noch, in welchen Situationen man mit dieser Technik ein “echtes” Wimmelbild, das voller kleiner Details steckt, erstellen könnte. Wenn du diesbezüglich Anregungen hast, kannst du mir deine Idee gerne in den Kommentaren mitteilen.