Nachdem ich mich im ersten Teil meiner kleinen Kompositions-Serie mit der Wahl des “richtigen” Standortes beschäftigt habe, geht es im zweiten Teil um die Verwendung von natürlichen Rahmen für ein gegebenes Motiv. Anhand von konkreten Bildbeispielen zeige ich auf, wie ich dieses Gestaltungselement für meine Bilder auf fünf verschiedene Arten einsetze und gebe dir Tipps, um den gewünschten Effekt in der Nachbearbeitung noch zu verstärken.
01 - Die deutliche Randbegrenzung
Bei den beiden oben zu sehenden Bildern “Where a monkey used to live” und “Fledgelings” habe ich Blattwerk und Bäume zur recht deutlichen Umschließung des Hauptmotivs eingesetzt, so dass die Aufmerksamkeit des Betrachters automatisch auf das Hauptmotiv gelenkt wird. Da es durch die Rahmung an den Seiten des Bildes kaum ablenkende Bereiche gibt, bleibt der Blick in der Bildmitte.
Unterstützen kannst du diese Wirkung durch ein Abdunkeln der Randbereiche in der Nachbearbeitung. Bei dem Bild der Kormoran-Jungtiere habe ich rechts und links mit linearen Verläufen gearbeitet, während ich für das Foto der Münsteraner Tuckesburg einen radialen Verlauf im Stil einer Vignette nutzte. Im Gegensatz zum einfachen, abdunkelnden Vignettieren hast du bei der Verwendung eines radialen Verlaufes gleich 2 Vorteile. Einerseits kannst du auch ein dezentral platziertes Motiv an den Randbereichen abdunkeln, andererseits stehen dir so auch weitere Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung, um den Blick noch besser von den Randbereichen zum Hauptmotiv zu führen, z.B. durch eine Verringerung des Kontrastes, ein leichtes Verschieben des Weißabgleichs in kühlere Gefilde oder etwas Unschärfe - um nur einige Möglichkeiten zu nennen, bei denen du die bekanntermaßen Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Faktoren wie warme Farben, starke Tonalitäts- oder Farbkontraste, sowie Bereiche mit hoher Schärfe umkehren kannst, um das visuelle Interesse des Randbereiches zu verringern.
02 - Das subtile Umspielen
Hier habe ich das Konzept der Rahmung etwas weniger prominent als in den vorherigen Beispielen eingesetzt. In dem Bild “Winter is coming” ist die Randbegrenzung durch die Zweige deutlich filigraner als in “Where a monkey used to live”, während der Kirchturm in “Hometown Church” organisch von den Baumwipfeln eingefasst wird, so dass sich der Rahmungscharakter weniger augenscheinlich präsentiert.
Obwohl es eigentlich recht naheliegend ist, möchte ich an dieser Stelle auf den Zusammenhang zwischen Aufnahmeposition und “Rahmengröße” eingehen: Je mehr ich mich von dem rahmenden Vordergrundelement entferne, desto enger wird der Platz für das Hauptmotiv. Beim Bild “Winter is coming” habe ich beispielsweise meinen Standpunkt so lange nach hinten verlagert, bis die rahmenden Zweige die Baumgruppe eng umschließen, ohne sie dabei zu verdecken.
Die unter “01 - Die deutliche Randbegrenzung” genannten Möglichkeiten der Radialfilteranpassung lassen sich übrigens auch bei Bildern wie “Winter is coming” anwenden, sofern sich die rahmenden Zweige tonal oder farblich von den dahinterliegende Bereichen unterscheiden. Mit der Bereichsmaskenfunktion lassen sich die Anpassungen (z.B. Abdunkeln, kühlerer Weißabgleich, Kontrastreduktion) auf gewisse Helligkeits- und Farbbereiche beschränken, so dass der zwischen den Zweigen liegende Himmel von den Modifikationen nicht beeinflusst wird.
03 - Das Nutzen von herabhängenden Zweigen
Wenn abzusehen ist, dass der Himmel wegen völliger Wolkenfreiheit oder strukturloser Komplettbedeckung wenig Positives zum Bild beitragen wird, mache ich mich auf die Suche nach herabhängenden, und das Motiv rahmenden Zweigen. Einerseits wird so der visuell uninteressante Himmelsbereich verdeckt, andererseits erweitert man das Foto durch die Implementierung der Vordergrundzweige um eine Ebene und verstärkt so den Tiefeneindruck.
Manchmal gelingt es durch minimales Verschieben des Aufnahmestandpunktes die Zweige in Relation zum Hauptmotiv so zu positionieren, dass die Form des Hauptmotivs quasi wieder aufgegriffen wird. So habe ich bei den Bildern “Raesfeld Castle” und “Muskau Castle” versucht, die Turmspitzen der Schlösser so gut wie möglich in die Lücken der Zweige zu “schieben”. Durch die geringe Distanz der Zweige zur Kamera ist es nicht immer leicht, diese in akzeptabler Schärfe abzubilden, sofern man auf das Hauptmotiv fokussiert - ein Problem, dass sich bei länger werdender Brennweite verschärft. Um die Schärfentiefe zu erhöhen, könnte man natürlich weiter abblenden, doch ab f/11 aufwärts macht sich zunehmend die Beugungsunschärfe bemerkbar, die das Bild insgesamt unschärfer erscheinen lässt. Sollte auch das fokussieren auf die Hyperfokaldistanz nicht das gewünschte Ergebnis bringen, bleibt einem immer noch die Möglichkeit des Focusstackings. Allerdings finde ich eine durchgehende Schärfe nicht in jedem Fall vorteilhaft, beim Bild “Winter is coming” habe ich die Vordergrundzweige absichtlich in den unscharfen Bereich fallen lassen, um dem Randbereich nicht unnötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
04 - Das Wiederaufgreifen von Formen
Um der Komposition einen durchdachteren Eindruck zu verleihen, lässt sich das Thema des Wiederaufgreifens von Formen, welches ich beispielhaft schon unter dem Punkt “03 - Das Nutzen von herabhängenden Zweigen” gestreift habe, auch in anderen Zusammenhängen nutzen.
So kam mir beim Besuch des Palazzo Vecchio in Florenz die Idee, dass man die rechteckige Form des Turmes mit einem entsprechenden Rahmen betonen kann, wenn man aus dem Innenhof nach oben blickt (“Painted up”). Auch bei der Aufnahme der Albrechtsburg in Meißen (“The Meissen Blues”) habe ich meinen Aufnahmestandpunkt so lange variiert, bis die Ufersteine der Elbe die Reflexion der Szenerie bestmöglich umfassten.
05 - Die Rahmung von Einzelelementen
Ähnlich wie beim Bild “Painted up” vom Palazzo Vecchio lässt sich die Idee des Rahmens nicht nur für das Bild als Ganzes einsetzen, sondern auch für Einzelelemente innerhalb der Komposition. Ich glaube, dass anhand der Bildbeispiele das Prinzip selbsterklärend sein dürfte. In “Leading Lines” rahmt die Vordergrundbrücke die im Hintergrund liegende, während sich die Zweige in “The best I can” scheinbar schützend über den Baum im Mittelgrund legen.
Übrigens: Obwohl dieses Bild sicherlich nicht zu meinen besseren Bildern gehört, hat es für mich aufgrund der Rahmungsidee eine zusätzliche, und darüberhinaus sehr persönliche Deutungsebene bekommen, da mich diese Baumkonstellation an das Verhältnis zu meiner langsam flügge werdenden Tochter erinnerte. Sie nabelt sich natürlicherweise immer weiter ab, einige ihrer Lebensbereiche verschwimmen zunehmend in Unschärfe, und dennoch möchte ich sie weiterhin behüten - wohlwissend, dass sie ihren Weg gehen muss, und ich sie nicht wirklich beschützen kann …
The best I can
Once you’ve been my little baby,
now grown up to a kind young lady.
Once so close, now miles apart,
so far away with all my heart.
Should you still need me, tell me, then
I’ll shelter you - the best I can.
Ich hoffe, dass dieser Beitrag dich dazu inspiriert hat in Zukunft vermehrt auf “Rahmenschau” zu gehen, auch wenn es nicht immer entsprechende Möglichkeiten für ein gegebenes Motiv geben wird. Sollte es dir aber gelingen einen passenden Rahmen zu finden, wirst du im Idealfall nicht nur mit einem insgesamt gelungeneren und ästhetischen Bildaufbau belohnt, sondern erhältst auch die Chance deine Bildaussage kompositorisch zu unterstützen.
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