Der Ist-Stand
Ende 2022 habe ich ein Ziel erreicht, auf welches ich gut zwei Jahre hingearbeitet habe: Endlich kann ich interessierten Menschen eine Auswahl meiner Bilder als hochwertige Drucke auf feinstem Papier anbieten. Den Wendepunkt in meinen Bemühungen brachte ein Workshop, an dem ich im März 2021 teilnahm. Das ausgegebene Versprechen dieses Kurses lautete, innerhalb von 10 Tagen einen Online-Printshop hochziehen zu können, über den man seine Drucke weltweit vertreiben kann. Da mir aber schnell klar wurde, dass in einem derart eng gesteckten Zeitrahmen mein extrem hoher Anspruch an die Qualität der Drucke leiden würde, arbeitete ich extrem lange an diesem mir außerordentlich wichtigen Aspekt.
Theorie vs. Praxis
Eigentlich hörten sich die nötigen Schritte für die Druckvorbereitung ganz einfach an: Mittels des Programms Topaz Sharpen AI sollten die Bilder für den Druck geschärft, und anschließend mit Gigapixel AI auf die gewünschte Zielgröße gebracht werden, das war‘s.
Wenn man nicht zu genau hinsieht, kommen bei dieser Vorgehensweise erstaunlich gute, hochauflösende und scharfe Bilder heraus, die sich großformatig drucken lassen. Da ich das mit dem Nicht-genau-hingucken aber nicht sein lassen kann, fielen mir schnell unschöne und für mich nicht akzeptable Fehler auf. Einerseits führte die in meinen Augen falsche Reihenfolge (erst schärfen, dann vergrößern) zu sehr heftigen und hässlichen Kontrastkanten, andererseits machte die künstliche Intelligenz des Programms (das AI im Programmnamen steht für Artificial Intelligence), trotz der generell guten Qualität in gewissen Bildbereichen teils abstruse Fehler - sowohl beim Schärfen, als auch beim Vergrößern. Für meinen Anspruch sind diese Makel absolut inakzeptabel, so dass ich mich von diesem weitestgehend automatisierbaren Prozess verabschiedete, und mich für einen deutlich arbeitsintensiveren, manuellen Weg entschied.
Anhand des Bildes “Veil of Water" zeige ich dir exemplarisch, mit welch enormen Aufwand das verbunden ist, und warum so aus einer 10-Tages-Challenge ein mehrmonatiger Arbeitsmarathon wurde.
Schritt 1 - Das Vergrößern
Eines vorweg: Topaz Labs selbst empfiehlt vor dem Vergrößern zu schärfen. Nach zahlreichen Tests und Versuchen bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass die umgekehrte Reihenfolge bei meinen Bildern zu besseren Resultaten führte - zumindest für mein Ästhetikempfinden.
Da es mir grundsätzlich plausibler erschien, erst zu vergrößern und anschließend für den Druck zu schärfen, führte ich die Bilder (ohne Tonung und Vignette) nach dem Export aus Lightroom zunächst dem Programm Gigapixel AI zu, bei dem man sich erst einmal auf eine Zielgröße festlegen muss. Da ich meine Fotos bis zu der Größe von 36 Zoll (fast 1 Meter, bezogen auf die lange Kante) in der bestmöglichen Auflösung von 300 dpi (dpi = dots per inch = Punkte pro Zoll) anbieten wollte, brauchte ich ein Bild mit einer Kantenlänge von 10800 Pixeln, ebenfalls bezogen auf die lange Seite.
Die dazugehörige Rechnung ist simpel: Zielgröße in Zoll X Druckauflösung in dpi = Pixelanzahl, in meinem Fall also 36 X 300 = 10800. Übrigens: Wollte man ein solch hochaufgelöstes Bild direkt von der Kamera bereitgestellt bekommen, bräuchte man hierzu ein Modell mit mindestens 77 Megapixeln.
Nachdem nun die Zielgröße feststeht, muss man sich für einen Vergrößerungs-Algorithmus entscheiden, von denen insgesamt fünf zur Verfügung stehen - jeder mit individuellen Stärken und Schwächen. Grundsätzlich sind diese für verschiedenes Ausgangsmaterial ausgelegt: So gibt es neben dem Standard-Algorithmus einen für Architekturaufnahmen, einen weiteren für gemalte/computergenerierte Bilder und jeweils einen für niedrig aufgelöste, beziehungsweise stark komprimierte Dateien. Bei meinen Tests hat sich herausgestellt, dass oftmals einer dieser Algorithmen das beste Gesamtergebnis bietet, in einzelnen, kleineren Bildbereichen aber ein Anderer überzeugendere Resultate liefert. Anhand des folgenden Bildbeispiels lässt sich diese Problematik ganz gut veranschaulichen:
Statt Kompromisse einzugehen und mich an dieser Stelle für eine der zwei Varianten entscheiden zu müssen, lasse ich einfach beide (bei Bedarf auch drei oder vier) Versionen herausrechnen, um sie anschließend durch Ebenenmasken in Photoshop zu kombinieren.
Nachdem ich auf diese Art für jeden Bildbereich die optimale Vergrößerungsvariante gefunden habe, fasse ich die Einzelebenen zusammen und führe auf dieser erste Grobkorrekturen aus. Anschließend speichere ich das Ergebnis als TIFF-Datei ab, um es in Topaz Sharpen AI zu schärfen.
Schritt 2 - Das Schärfen
Auch Topaz Sharpen AI bietet auf verschiedene Szenarien abgestimmte Algorithmen an, für die prinzipiell das Gleiche wie bei der Vergrößerung gilt: Meist finde ich eine Einstellung, die für den Großteil des Bildes gut funktioniert. Für etwaige Schwachstellen lasse ich per Algorithmuswechsel schärfere und weniger scharfe Varianten herausrechnen, die ich in oben beschriebener Manier per Ebenenmasken überblende.
Oft gibt es bei der Basisversion Bildstellen, die entweder deutlich überschärft wurden, oder zu soft erscheinen. Durch die entsprechenden Varianten lassen sich diese Bereiche so anpassen, dass ein homogener Schärfeeindruck entsteht.
Schritt 3 - Individuelle Korrekturen
Während der beschriebene Workflow bis hierhin für alle Fotos gleich ist, folgen jetzt individuelle Korrekturen, die sich in Art und Aufwand von Aufnahme zu Aufnahme unterscheiden. Für das Bild “Veil of Water” waren die folgenden Schritte nötig:
Ebene “Frequenztrennung”: Diese (meist nur in der Portrait-Fotografie eingesetzte) Technik ermöglichte es mir, feine Moos- und Blätterstrukturen in Bereiche einzustempeln, die mir trotz höchster Schärfungseinstellung noch zu undefiniert erschienen. Der Vorteil der Frequenztrennung besteht darin, dass unterschiedliche Tonalitäten von Klonquelle und Klonziel keine große Rolle spielen, da Struktur und Farbe (bei diesem Schwarz-Weiß-Bild eher Helligkeit) auf getrennten Ebenen vorliegen.
Ebene “Rauschen Add”: Normalerweise ist man als Fotograf ja sehr bemüht, das Bildrauschen so gering wie möglich zu halten, von daher mag für manchen nicht direkt nachvollziehbar sein, warum ich in diesem Schritt bewusst Rauschen hinzufüge. Sowohl beim Hochskalieren als auch beim Schärfen mit den Topaz-Plugins lassen sich individuelle Entrauschungsparameter einstellen, die für den Großteil des Bildes perfekt sein können, an einzelnen Stellen aber zu einem künstlich wirkenden Look führen. Mit dem Hinzufügen von etwas digitalem Filmkorn lassen sich diese Bereiche sehr überzeugend “renaturieren”.
Ebene “Störelemente”: Nach der im ersten Schritt vorgenommenen Vergrößerung hatte ich zwar schon die auffälligsten Störelemente korrigiert, doch bei genauerer Betrachtung springen mir immer wieder unschöne Kleinigkeiten ins Auge. Sei es ein ungünstig ins Bild hineinragender Zweig oder ein unansehnliches Laubblatt: Hier bin ich Pixelpeeper, hier darf ich’s sein! In 800%iger Vergrößerung scanne ich das Bild systematisch ab und behebe dabei alle mir auffallenden Fehler.
Ebene “Abdunkelung Büschel”: Ein Moosflecken, der aufgrund seiner Helligkeit ungebührlich viel Aufmerksamkeit auf sich lenkte, wurde hier per Gradationskurve abgedunkelt.
Ebene “Color Grading & Vignette”: Eine alle bisher vorgenommenen Korrekturen zusammenfassende Ebene. Hier habe ich die beiden genannten Effekte, die ich vor dem Export aus Lightroom ja entfernt hatte, wieder hinzugefügt.
Wie bereits erwähnt, variiert der Aufwand dieses Bearbeitungsschrittes von Datei zu Datei enorm. Bei der Optimierung für das Bild “The White Temple” brauchte ich beispielsweise eine akkurate Auswahl des Himmels. Leider konnte ich dafür aus diversen Gründen nicht auf die bewährten Techniken und Tools setzen, sondern musste stattdessen die Selektion manuell mit einem 2 Pixel großen Pinsel einzeichnen. Bei einem Bild von 10800 Pixeln Kantenlänge war das ein äußerst mühseliger Prozess, der alleine weit über 50 Arbeitsstunden gekostet hat.
Schritt 4 - Probedrucke
Durch das Kalibrieren des Monitors und der Profilierung meiner Drucker/Papier-Kombination hatte ich eigentlich gehofft, auf kostenintensive Probedrucke verzichten zu können - schließlich bekommt man in der Softproof-Ansicht eine Vorschau auf das zu erwartende Druckergebnis.
In Bezug auf Farbtöne und Sättigung funktioniert das überwiegend auch sehr gut, doch eine verlässliche Einschätzung der Helligkeit verschiedener Tonwertbereiche fällt mir schwer. Obwohl ich die Monitorhelligkeit schon stark heruntergeregelt habe, wirken die Bilder auf Papier tendenziell eher dunkler als auf dem Bildschirm. Wahrscheinlich ist eine 100% akkurate Softproof-Vorschau aufgrund der fundamentalen Unterschiede zwischen einem selbstleuchtenden Display und eines Licht nur reflektierenden Druckes, dessen Anmutung bei unterschiedlicher Beleuchtung stark variiert, ohnehin kaum möglich.
Dann also doch: Probieren geht über Studieren! Auf einem DIN A4 Blatt drucke ich neben der Originalversion drei weitere Varianten mit verschieden starken Aufhellungen, küre einen Favoriten und mache mir Notizen zu weiteren mir auffallenden Aspekten. Nach entsprechenden Anpassungen in unterschiedlichen Ausprägungen wiederhole ich den Vorgang und habe spätestens dann ein Ergebnis, welches meinen Vorstellungen sehr nahe kommt.
Anschließend drucke ich das Bild mit den ermittelten Modifikationen formatfüllend zunächst in der Größe DIN A4, bevor ich mich an größere Ausdrucke bis DIN A2 wage. Sollten mir in den zunehmend detaillierter auflösenden Drucken noch Unstimmigkeiten auffallen, korrigiere ich diese in der den Drucken zugrundeliegenden Master-Datei.
Warum dieser Aufwand?
Manch einer mag sich fragen, warum ich mir diesen vermeintlich unnötig wirkenden Aufwand antue und worin der Sinn liegt, kleinste Details in bis zu 800-prozentiger Vergrößerung zu bearbeiten. Außer mir selbst (und vielleicht anderen interessierten Fotografen) schaut sich kaum jemand diese großformatigen Bilder aus minimalen Abstand an, so dass dem Großteil der Betrachter wohl nie auffallen wird, mit welcher Akribie ich an den Drucken arbeite.
Die Antwort ist simpel: Diese Vorgehensweise ist eine konsequente Fortführung meiner sonstigen Arbeitsweise. Ich investiere bei sämtlichen Schritten der Bilderstellung - von der Planung, über die Aufnahme bis zum Postprocessing - viel Zeit und Mühe. Ich hätte das Gefühl, dass das frühe Aufstehen, die durchgemachten Nächte, die Stunden der sorgsamen Bildbearbeitung und nicht zuletzt die entgangene Zeit mit der Familie umsonst gewesen wäre, wenn ich beim finalen Schritt des Druckens niedrigere Maßstäbe anlegen würde. Natürlich sind meine Bilder nicht perfekt, ich kann aber zumindest reinen Gewissens behaupten, dass ich immer das mir bestmögliche Resultat anstrebe.
Dieses Streben nach Perfektion ist mir im Hinblick auf den geplanten Print-Shop besonders wichtig. Der potentielle Käufer erwartet beim Erwerb von Fine Art Drucken nicht nur ansprechende Motive auf hochwertigen Papieren, sondern zu Recht auch größte Sorgfalt bei der Erstellung.
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