Die teils uralten Bäume des Fanal-Waldes auf Madeira haben mich zu der Bilderserie “Fanal Magic” inspiriert. In diesem Blog-Beitrag erhält du neben einem detaillierten Einblick zu deren Entstehungsprozess auch allgemeine Informationen zu einer einzigartigen Landschaft, in dessen Nebel die Grenze zwischen Realität und Fantasie aufgehoben zu sein scheint.
INFORMATIONEN ZUM FANAL-WALD
Der seit 1999 zum UNESCO Weltkulturerbe gehörende Fanal-Wald, der im Nordwesten der zur Portugal gehörenden Insel Madeira liegt, ist weit über die Landesgrenzen für seine teils bizarr anmutenden, hundertjährigen Lorbeerbäume bekannt. Einige Exemplare sollen sogar schon aus der Zeit der Entdeckung Madeiras im Jahre 1419 stammen, als die Insel noch komplett bewaldet war, und durch diesen Umstand zu ihrem Namen kam: Das portugiesische Wort Madeira heißt nichts anderes als “Holz”.
Der größte und schönste Restbestand dieses auch Laurisilva genannten Urwaldes, befindet sich zwischen Ribeira da Janela und der Hochebene Paul da Serra.
Von der Inselhauptstadt Funchal erreichst du ihn nach einer guten Autostunde, wenn du über die ER101 die ER209 nimmst und ab dort der Fanal-Beschilderung folgst. Einen Parkplatz gibt es in unmittelbarer Nähe des Waldes (Geo-Koordinaten: 32.809043, -17.144113), der Eintritt ist ganzjährig rund um die Uhr moglich - und kostenfrei.
Auch wenn die alten, knorrigen Bäume an sich schon spektakulär genug sind, gibt es einen weiteren Umstand, der maßgeblich zu der ganz besonderen Stimmung hier beiträgt:
Aufgrund des Terrains um den Fanal-Wald und seiner Höhenlage von gut 1100 Metern ist der Wald ungewöhnlich oft in Nebel gehüllt.
EINDRÜCKE WÄHREND MEINES BESUCHES
Der tolle Eindruck von Fanal, den ich in der Vergangenheit durch Bilder auf diversen Fotoplattformen gewonnen hatte, war 2022 der primäre Grund Madeira als Reiseziel für meine alljährliche Fototour zu wählen. Von daher machte ich mich gleich am ersten Vormittag von meiner Unterkunft in Ponta do Sol auf die 45-minütige Autofahrt zu der auch Feen-Wald genannten Location - und hatte einfach nur Glück. Bei meiner Ankunft fand ich gleich exakt die Bedingungen vor, die ich mir erhofft hatte: Der ganze Bereich war von Nebel durchzogen! Da ich mir nicht sicher war, wie lange sich diese Stimmung halten würde, verzichtete ich auf jegliches Scouting und begann direkt mit dem Fotografieren.
Ich kann das im Folgenden Erlebte nur schwer in Worte fassen, doch auf einen Versuch lasse ich es ankommen: Beim Wandern durch die leicht hügelige Graslandschaft beschränkte der Nebel die Sichtweite auf nur wenige Meter und dämpfte jedes Geräusch.
Sowohl die teilweise an Fabelwesen erinnernden Bäume, die von Zeit zu Zeit in meine mit mir orientierungslos umherirrende Wahrnehmungsblase eindrangen, als auch die vereinzelt dazwischen grasenden Kühe, waren zunächst nur als äußerst fantasieanregende Schemen erkennbar. Besonders an den sanften Hängen beschlich mich durch den allmählichen Verlust jedweden Bezugspunktes ein leichtes, rauschähnliches Schwindelgefühl.
Vielleicht mag sich das alles für den einen oder anderen etwas gruselig und nicht besonders verlockend anhören, aber für mich war es, wie man dem nachfolgenden Selbst-Portrait vielleicht ansieht, der Fotografie-Himmel auf Erden.
Abgesehen von einer kurzen Sonnenphase hielten sich die fantastischen Bedingungen entgegen meiner ursprünglichen Befürchtungen bis zu meiner Abreise am Nachmittag, so dass ich während meines 5-stündigen Besuchs ungefähr 30 verschiedene Kompositionen fotografieren konnte.
VORAUSWAHL UND FESTLEGUNG DES BILDLOOKS
Nach dem Madeira-Aufenthalt wieder Zuhause angekommen, habe ich die gemachten Aufnahmen in Ruhe gesichtet und dabei die für die Bilderserie in Frage kommenden Fotos auf 10 Kandidaten eingegrenzt. Im Laufe der Jahre habe ich aber die Erkenntnis gewonnen, dass ich als Fotograf aufgrund der vor Ort gemachten Erfahrungen eigene Bilder nicht immer objektiv einschätzen kann. Mein Urteil über Fotos, die aufwändiger umzusetzen waren, oder Kompositionsideen, die mich bei der Aufnahme begeistert haben, fällt meist wohlwollender aus als das eines unbeteiligten Betrachters. Von daher wollte ich mich für die endgültige Auswahl von 5 Bildern nicht auf meine eigene Einschätzung verlassen - auch und besonders im Hinblick darauf, dass die Bilder Teil meiner neuen Druck-Edition sein werden.
Vor der Befragung von Familie, Freunden und Followern galt es aber noch, eine ungefähre Marschrichtung für einen einheitlichen Bildlook zu finden. Anfangs experimentierte ich noch mit einer wärmeren Anmutung, machte später einen Abstecher in den Schwarz-Weiß-Bereich und landete im Endeffekt bei einer eher kühlen und entsättigten Bildsprache, die den meiner Meinung nach leicht mystischen Kontext der Fotos gut unterstützt.
Im Anschluss erstellte ich eine aus den 10 Kandidaten bestehende Collage, die ich sowohl im privaten Umfeld, als auch auf Facebook nutzen konnte, um möglichst viele Menschen nach ihren persönlichen Favoriten befragen zu können.
DAS ERGEBNIS DER UMFRAGE
Es haben sich netterweise fast 600 Menschen an den von mir gestarteten Umfragen beteiligt, so dass ich mir ein hinreichend repräsentatives Bild von den beliebtesten Kompositionen machen konnte. Bei den drei Bildern der linken Seite gab es mit dem Querformat einen eindeutigen Gewinner, doch das Rennen bei den Kandidaten der rechten Seite gestaltete sich etwas enger:
DIE BILDBEARBEITUNG
Im Vergleich zu vielen meiner anderen Bilder war der Bearbeitungsaufwand für die Serie sehr überschaubar. Es kamen ausschließlich Einzelaufnahmen zum Einsatz, da die Licht- und Kontrastverhältnisse durch den Nebel vor Ort sehr ausgeglichen waren. Aufgrund der Entscheidung nur die jeweiligen Hauptbäume scharf abzubilden, bestand auch keine Notwendigkeit für Fokus-Stacks. Im Prinzip beschränkte sich die Bearbeitung auf den Feinschliff für den bereits vorher grob festgelegten Bildlook, die digitale Entfernung einiger unschöner Kuhfladen und die Auflösungsoptimierung für den Druck. Habe ich mich für das Hochskalieren bei der “edition one | timeframe” noch auf Topaz Gigapixel AI verlassen, kam hier Lightrooms Super-Resolution zum Einsatz - mit absolut überzeugenden Ergebnissen, wie man den folgenden Detailausschnitten (100%-Crops) hoffentlich entnehmen kann:
DAS STORYTELLING
Welche Geschichten könnten die auserkorenen Bilder erzählen, und auf welche Weise lassen sich diese zu einem Gesamtkonzept zusammenfassen? Je intensiver ich mich mit den Fotos und deren Baum-Protagonisten beschäftigte, desto mehr kristallisierten sich nicht nur die jeweiligen “Charaktere” heraus, sondern auch, welche Rolle die zugeschriebenen Eigenschaften in meinem Leben und in meiner Fotografie spielen.
Um den Betrachter der Serie zu einer gedanklichen Auseinandersetzung mit den aufgegriffenen Themen einzuladen, lasse ich sich ergebende Fragestellungen bewusst offen. Das “Magic” im Titel der Bilderserie bezieht sich einerseits natürlich auf die magische Stimmung im Fanal-Wald, andererseits ergibt sich - wie aus Zauberei - dieser Begriff auch aus den Anfangsbuchstaben der einzelnen Bildtitel.
DIE EINZELBILDER
“Minding” | Achtsam sein
Scheinbar ist der menschenähnliche Baum auf der rechten Seite sehr achtsam in Bezug auf seine Artgenossen im Hintergrund. Ermutigt er sie, ihm zu folgen?
Wie achtsam und rücksichtsvoll bist du? Mit deinen Mitmenschen, aber auch mit dir selbst? Stellst du das Wohl der Familie, deiner Freunde und deiner Arbeitsstelle in den Vordergrund, oder bist du dir in dieser Hinsicht eher selbst am nächsten? Wo liegen die Grenzen beim Abwägen dieser Interessen? Musst du auf dich selbst achten, um für andere sorgen zu können?
“Accepting” | Akzeptieren
Laut brüllend fordert dieses Fabelwesen mit seinem grandiosen Geweih die Aufmerksamkeit des Waldes, doch die unter dem linken Baum schlafende Gestalt scheint das offensichtlich nicht zu interessieren. Wird sie auf Dauer das selbstverliebte Gebaren der stolzen Kreatur akzeptieren? Und wird diese die Respektlosigkeit der Gestalt akzeptieren?
Wie ist es im Hinblick auf Situationen, Menschen, oder deren Verhaltensweisen um deine Akzeptanz bestellt? Kann es sein, dass scheinbar leicht Akzeptiertes von dir lediglich toleriert wird, dich schlichtweg nicht kümmert, oder betrifft? Ist es tatsächlich grundsätzlich weise, Dinge zu akzeptieren, die du (vielleicht nur scheinbar) nicht ändern kannst?
“Gathering” | Sammeln
Der Baum im Vordergrund streckt und verbiegt sich, um seine Gefährten in einer Art geschlossenen Klammer zusammenhalten zu können. Er erkennt nicht, dass seine Bemühungen zum Scheitern verurteilt sind, denn schon ein Schritt zur Seite - ein kleiner Perspektivenwechsel - reicht, um die Illusion als solche zu enttarnen.
An welchen Stellen bist du bemüht Menschen oder Dinge zusammenzubringen - und anschließend auch zusammenzuhalten? Sind es die Freunde, die Familie? Ist es Erfolg, Macht oder Geld? Wird dir eine andere Perspektive irgendwann deutlich machen, dass das Anhäufen von Erinnerungen, Erfahrungen und Wissen vielleicht wertvoller gewesen wären? Ist das Eine Voraussetzung für das Andere?
“Imitating” | Imitieren
In der Isolation des dichten Nebels bleibt dem kleineren Baum nichts anderes übrig, als sich an dem Älteren im Vordergrund zu orientieren, ihn zu imitieren - und so von ihm zu lernen.
Imitierst du andere, oder bist du für andere ein Vorbild? Bist du dir dieser Rolle und der damit einhergehenden Verantwortung bewusst? Fühlst du dich geschmeichelt, wenn Menschen dich imitieren - oder stößt dich das eher ab? Warum hat die Imitation eine meist negative Konnotation, obwohl sie eine fundamentale Bedeutung für das frühkindliche Lernen hat? Ist die anfängliche Imitation eventuell Grundlage und Basis jeglichen kreativen Schaffens?
“Connecting” | Verbinden
Dieser Baum versucht nach Leibeskräften Vorder- und Mittelgrund zu verbinden, um Kontakt zu seinem Artgenossen herzustellen. Wird er ihn je wirklich erreichen können?
Mit welchen Menschen fühlst du dich verbunden? Gibt es jemanden, der eine so enge Verbindung zu dir hat, dass er oder sie dich genauso gut zu kennen scheint, wie du dich selbst? Beschleicht dich trotz dieser empfundenen Nähe manchmal die Sorge, dass du in letzter Konsequenz doch auf dich allein gestellt bist? Fühlst du dich - trotz aller Bemühungen - allein?
Ich hoffe, dir hat mein kleiner Ausflug in die Welt des magischen Fanal-Waldes gefallen und dich vielleicht sogar zum Nachdenken über das eine oder andere der aufgegriffenen Themen gebracht. Falls du Interesse an den bald erscheinenden Fineart-Drucken dieser Serie haben solltest, empfehle ich dir, dich über das nachstehende Formular für den unverbindlichen und kostenlosen E-Mailservice von bilderschmied.com zu registrieren. Du erfährst dann nicht nur rechtzeitig von dem Erscheinen der neuen Druck-Editition, sondern profitierst auch von dem großzügigen Rabattangebot, dass ich hierfür allen registrierten Nutzern machen werde.